Net Zero und Loyalty – wie Verhaltensökonomie helfen kann, die Welt zu verändern
Fast 16 % aller globalen Marken haben vor, CSR-Prämien in ihren Loyalty-Programmen einzuführen, um ihre Kunden zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen.
Das Jahr 2030 rückt immer näher und zur Verwirklichung der angestrebten Klimaziele hat jeder seinen Teil beizutragen, Ihr Unternehmen und Ihre Kunden eingeschlossen – so Magdalena Pudelko, Loyalty Solutions Managerin bei Comarch UK.
Denn eines ist sicher: die Unterstützung und Mitwirkung der breiten Öffentlichkeit sind für das Erreichen der Net-Zero-Ziele unabdingbar. Laut des Globalen Marktberichts 2022, den Comarch und Forrester zusammen erarbeitet haben, steht Nachhaltigkeit weit oben auf der Agenda der Unternehmen. Auch verlangen viele ein hohes Maß an CSR (Corporate Social Responsibility) von ihren Geschäftspartnern. Für beinahe ein Viertel aller Studienteilnehmer stellt eine gemeinsame Linie in Sachen CSR einen der Hauptbeweggründe bei der Anbieterwahl dar. Auf diese Weise reguliert sich der Markt selbst und treibt all seine Teilnehmer dazu an, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Die gute Nachricht ist, dass auch die Präferenzen der Verbraucher diesem Geschäftstrend folgen. Deloitte zufolge richtet beinahe ein Drittel von ihnen sein Konsumverhalten hauptsächlich nach Aspekten der Ethik und der Nachhaltigkeit aus. Die restlichen zwei Drittel stoßen bei der Annahme nachhaltiger Konsumgewohnheiten auf Barrieren in Form mangelnder Information und höherer Kosten, die mit dem Umstieg auf umweltfreundlichere Alternativen einhergehen.
Diese Statistik wirft schwierige Fragen auf. Wie können Unternehmen ihre Net-Zero-Ziele erreichen, ihre Kunden darüber in Kenntnis setzen und diesen außerdem dabei helfen, selbst nachhaltiger zu handeln? Mit welcher Strategie können Millionen von Konsumenten aufgeklärt und dazu gebracht werden, ihre Gewohnheiten zu ändern, sodass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können?
Die Antwort lautet Loyalty – aber warum?
So einfach die Lösung klingt, so unwahrscheinlich mag sie zunächst erscheinen – schließlich werden mit Kundenbindung primär konsumfördernde Loyalty-Programme verbunden. Nicht jedem ist bewusst, wie viel sich verändert hat seit dem Zeitalter der einfachen Stempelkarten, als man nach jedem soundsovielten Einkauf von Vorteilen profitieren konnte. Moderne Loyalty-Programme haben dieses Stadium mittlerweile weit hinter sich gelassen. Stattdessen geht es nun darum, direkte Beziehungen zu den Verbrauchern aufzubauen und dafür zu sorgen, dass sie sich der jeweiligen Marke verbunden fühlen. Anders ausgedrückt sind Loyalty-Programme zu einem festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Unsere Marktstudie von 2022 hat ergeben, dass fast 16 % aller globalen Marken CSR-Prämien in ihren Loyalty-Programmen einführen wollen, um ihre Kunden zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen.
Seit den Unternehmen während der ersten Corona-Lockdowns die Kunden scharenweise davongelaufen sind, wird allerdings darüber spekuliert, ob Kundenbindung überhaupt noch eine Zukunft hat. Dieser Pandemietrend der wankelmütigen Verbraucher spiegelt sich auch in den Ergebnissen aus dem neuesten Bericht zum Thema Verbrauchertreue von Kin+Carta wider, der gezeigt hat, dass über ein Viertel (27,4 %) der Konsumenten im UK und in den USA mittlerweile keiner Marke mehr treu sind. Natürlich wechseln einige Kunden auch aus Komfortgründen, doch Belange rund um das Thema Nachhaltigkeit stellen ebenfalls einen bedeutenden Beweggrund dar. So berichtet YouGov, dass mehr als die Hälfte der Verbraucher in Deutschland, dem UK, den USA und Australien bereit sind, höhere Kosten für Lebensmittel aus nachhaltigem Anbau in Kauf zu nehmen. Deloitte berichtet zudem, dass 2021 28 % der Verbraucher im UK auf Grund moralischer oder nachhaltigkeitsbezogener Bedenken aufgehört haben, bestimmte Marken oder Produkte zu kaufen. Auch dies verdeutlicht, dass das massenhafte Abwandern und Wechseln der Kunden in ihrer Suche nach umweltfreundlichen Alternativen begründet liegt.
Das Potenzial der Incentivierung und Gamification nutzen
Anreize sind nach wie vor das wichtigste Werkzeug einer jeden Loyalty-Strategie. Sie werden schon seit Langem erfolgreich von Unternehmen eingesetzt, um Gewohnheiten zu schaffen, zu motivieren und aufzuklären und so das Transaktionsvolumen zu steigern, Cross-Selling zu fördern und die Abwanderungsrate zu senken. Immer mehr Marken erkennen, wie sie das Kaufverhalten ihrer Kunden beeinflussen können, und entscheiden sich für eine verstärkt auf Emotionen basierende Art der Interaktion. Diese Unternehmen verwenden Loyalty-Tools, um ihre Kunden aufzuklären und für ihre nachhaltigen Kaufentscheidungen zu entlohnen.
Doch die Kunden müssen auch darüber im Bilde sein, wie genau ihre bevorzugten Marken ihnen dabei helfen, einen ethisch vertretbaren Lebensstil zu pflegen. Und diese Informationen müssen auf ansprechende und interessante Weise vermittelt werden, da sie ansonsten nicht als relevant wahrgenommen werden und zu einem bloßen Hintergrundrauschen verblassen.
Kann das MindSpace-Modell nachhaltiges Verhalten fördern?
Wie also können Kundenbindungsprogramme als Katalysatoren des Wandels eingesetzt werden? Am besten durch Anwendung einer Methodik, die vom Behavioural Insights Team der britischen Regierung verwendet wird, um gesellschaftliche Veränderungen anzukurbeln. Das sogenannte MindSpace-Modell und das Prinzip der 4 Es kann auch auf den Loyalty-Bereich angewendet werden, um Konsumgewohnheiten zu verändern: Ermunterung, Engagement, Exemplifizierung und Ermöglichung. Doch was genau verbirgt sich hinter diesen vier Es?
Ermunterung
Ein Textileinzelhändler teilt mit, dass er ab jetzt kostenlos Kleidungsstücke recycelt. Zu diesem Zeitpunkt werden die Kunden informiert. Besteht allerdings kein unmittelbarer Bedarf an dieser neuen Dienstleistung, wird sie auch nicht in Anspruch genommen werden.
Engagement
Um sicherzustellen, dass das neue Recyclingangebot genutzt wird, macht der Einzelhändler die Teilnehmer seines Loyalty-Programms darauf aufmerksam. Unter Einsatz gängiger Kundenbindungsmechanismen startet er eine Challenge, bei der die Teilnehmer sich durch das Spenden einer bestimmten Anzahl an Kleidungsstücken zu Recyclingzwecken Prämien sichern können. Das Ergebnis: die Kunden haben einen ausreichenden Handlungsanreiz, denn nun besteht der Vorteil für sie nicht mehr nur in einem aufgeräumten Kleiderschrank.
In einer Welt, in der Verbraucher sich stets rational verhalten, wäre diese Kampagne ein voller Erfolg. Doch da Menschen sich von Natur aus nicht gern von ihrem Eigentum trennen, ist es nicht ganz einfach, sie genau dazu zu bewegen. Der simple Trick, einer Belohnung zusätzlich zu ihrem materiellen auch einen emotionalen Wert zu verleihen, kann darum entscheidend zum Erfolg einer solchen Aktion beitragen. An dieser Stelle kommen nun Gamification und Personalisierung ins Spiel.
Exemplifizierung
Es kann außerdem sehr hilfreich sein, den Kunden den Fortschritt der Challenge mittels eines Zählers vor Augen zu führen und sie so zu motivieren. Um das gute Gefühl nach der Teilnahme noch zu verstärken und ein gewisses Wettbewerbsverhalten zu fördern, kann den Kunden für ihre Spende zudem ein Abzeichen verliehen werden, dass sie in den sozialen Medien teilen können. Wir alle geben schließlich gern Dinge über uns preis, auf die wir Stolz sind und die uns gut dastehen lassen. Aus diesem Grund erhöhen die Anerkennung und Belohnung moralischen Verhaltens die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Aktionsteilnahme und sorgen für positive Mundpropaganda.
Ermöglichung
Die Kundeninteraktion über Loyalty-Programme liefert unendliche Mengen an Zero-Party-Daten, die Schlüsse über die Vorlieben und vor allem auch über die Absichten der Kunden zulassen.
Unser Textileinzelhändler kann dieses Wissen einsetzen, um gezielt Kunden anzusprechen, die bereits nachhaltiges Verhalten zeigen, und sie von der Nutzung des Recyclingangebots zu überzeugen. Durch die Programmaktivitäten seiner Kunden ist der Einzelhändler über ihre Käufe, Lieblingsprodukte und bevorzugten Prämien im Bilde, kann personalisierte Vorschläge für zur Spende geeignete Artikel und entsprechende Alternativprodukte unterbreiten und somit die Aktionsteilnahme für den einzelnen Kunden möglichst reibungslos und niedrigschwellig gestalten. Die Spendenempfehlung hat das Potenzial, den Kunden den letzten Schubs in Richtung Aktionsteilnahme zu geben. In dem Wissen, dass Kunde XY vor zwei Jahren eine Strickjacke gekauft hat, könnte der Einzelhändler diese nun als Recyclingspende vorschlagen und dem Kunden einen Rabatt für den schuldgefühlfreien Kauf einer neuen Strickjacke anbieten.
Mit der Nudging-Theorie zur Weltverbesserung: Loyalty-Programme, die soziale Verantwortung fördern
Unternehmen auf der ganzen Welt nutzen seit vielen Jahren erfolgreich Loyalty-Strategien, um transaktionsbasierte Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen. Heute befinden wir uns jedoch in einem neuen, anderen Zeitalter. Unternehmen wird heutzutage mehr abverlangt – sowohl im Hinblick auf die Gestaltung der Kundenbeziehungen als auch auf ihr soziales Engagement. Die Marken, die in Sachen Nachhaltigkeit jetzt die Nase vorn haben, waren bereits Jahre vor der Formulierung der Net-Zero-Ziele an der Spitze. Durch ihr langfristiges Engagement sind sie zu Marktführern mit einem stabilen Kundenstamm aus umweltbewussten Verbrauchern geworden. Unternehmen, die mit der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie langsamer waren, kämpfen nun um Anteile am Markt.
Es liegt zunehmend auch in der Verantwortung von Unternehmen, das Umweltbewusstsein ihrer Kunden zu fördern und sie dabei zu unterstützen, ihren Lebensstil nachhaltiger zu gestalten. Die Kundenbindung liefert ihnen hierfür leistungsfähige Werkzeuge und Strategien, mit denen sie die Kaufgewohnheiten ihrer Kunden verändern können. Anerkennung und Belohnungen eignen sich dabei besonders gut, um die Aufmerksamkeit und den Handlungswillen der Kunden zu erwecken. Mit Hilfe moderner Loyalty-Programme lassen sich haarklein personalisierte Customer Journeys gestalten, die sowohl Einnahmen generieren als auch durch kleine Handlungsanstöße einen Verhaltenswandel bei den Kunden bewirken. Hier einige Beispiele:
Die „grünen“ Kaffeebohnen als Extrapunkte im Loyalty-Programm von Costa Coffee
Die Teilnehmer des Costa Clubs, dem Loyalty-Programm von Costa Coffee, werden jedes Mal mit einer zusätzlichen „grünen“ Kaffeebohne belohnt, wenn sie beim Filialbesuch oder an einem Costa-Express-Automaten einen wiederverwendbaren Becher benutzen. Haben sie vier dieser Bohnen gesammelt, erhalten sie das nächste Getränk gratis.
Ein weiterer Kunde Comarchs, ein führender Autohersteller, der häufig für seine Pionierrolle in Sachen unternehmerischer Nachhaltigkeit hervorgehoben wird, hat ein Programm eingeführt, das auf der Plattform Comarch Loyalty Management (CLM) basiert. Dieses ermöglicht Autofahrern die Nutzung des größten Netzwerks an Ladestationen für E-Fahrzeuge in Nordamerika. Auch für das Fahren einer neuen Serie von Elektro- und Hybridautos erhalten Programmteilnehmer Vorteile.
Die Fluggäste eines unserer weiteren Kunden, einer europäischen Airline, können bei bestehender EuroBonus-Mitgliedschaft freiwillig einen Aufpreis für den Kauf von Biokraftstoff bezahlen und dafür Extrapunkte erhalten.
Kunden wollen sich ihren bevorzugten Marken heute auch auf emotionaler Ebene verbunden fühlen und sich mit ihnen identifizieren können. Und wie das große Marken-Hopping während der Pandemie gezeigt hat, ruhen sie erst, wenn sie die eine Marke gefunden haben, deren Produkte und Philosophie perfekt zu ihnen passen. Unter Einsatz von Loyalty-Programmen und -Strategien können wahrhaft verbraucherorientierte Unternehmen gemeinsam mit ihren Kunden Stück für Stück die gesetzten Net-Zero-Ziele erreichen – für eine bessere und nachhaltigere Zukunft.
Quellen:
https://www2.deloitte.com/uk/en/pages/consumer-business/articles/sustainable-consumer.html
https://thedecisionlab.com/insights/environment/nudging-towards-a-sustainable-future
Autorin: Magdalena Pudelko
Loyalty Solutions Managerin bei Comarch UK
Herausfordernd und mit helfender Hand steht sie unseren Kunden bei der Neuerfindung ihrer CX und Digital Journeys zur Seite. Seit fünf Jahren unterstützt sie Unternehmen der Einzelhandels- und Lebensmittelbranche dabei, mit Hilfe modernster Technologien ihre Kundenbeziehungen zu verbessern. Sie ist eine Verfechterin des Einsatzes von Gamification und der Anwendung verhaltensökonomischer Prinzipien im Loyalty-Management.