IPA-TRENDS 2022 – 2024: Experten Berichte über Intelligent Process Automation

Mehr als zwei Drittel der deutschen Unternehmen aller Größenordnungen setzen künftig auf intelligente Prozessautomatisierung, wobei vor allem der Orchestrierung der Lösungen und KI-Funktionen eine große Bedeutung zukommt. Christian Gerdes von der VUP GmbH – Vallée, Unger & Partner diskutierte dazu mit Frank Siewert und Thomas Böing von Comarch. Die IDC Studie „Intelligent Process Automation (IPA) in Deutschland 2022“ basiert auf einer branchenübergreifenden Befragung von 201 Unternehmen im März 2022 und wurde u.a. von Comarch unterstützt. (Foto: Anne Wolak, von links nach rechts: Thomas Böing, Christian Gerdes, Frank Siewert) 

Dass Automatisierung eine zentrale Rolle spielt, hat diese Studie ganz klar zu Tage gefördert. Die konkrete Umsetzung stellt Unternehmen jedoch oftmals vor Fragezeichen, gerade im Mittelstand: Wo nutzt man Workflows, wie hinterlegt man im ERP-System Prozesse, die hochgradig standardisiert sind und eine Automatisierung ermöglichen?

Automation: RPA und IPA in der Praxis umsetzen

Bei Robotic Process Automation (RPA) imitieren einzelne Softwarekomponenten Handlungen, die bisher manuell von Menschen ausgeführt wurden. Sie können Texte aus Emails auslesen, Sprachnachrichten interpretieren oder Chatbeiträge verfassen. Damit lassen sich ganze Prozessketten schmieden, die über mehrere Bereiche hinweg automatisiert Vorgänge ausführen. Einzelne Vorgänge können sich dabei gegenseitig anstoßen. Wird ein Prozess nicht nur automatisiert, sondern auch smarter und analytischer gemacht, spricht man von Intelligent Process Automation (IPA). Hier spielen Systeme wie Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) eine wichtige Rolle, um auf Basis von Daten Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel ist OCR, die automatisierte Erkennung von Bilddaten mit passender Erfassung und Zuordnung von Werten.

Tunnelblick bringt bei Process Mining nicht weiter

Christian Gerdes ist Experte für Prozessoptimierung und komplexe IT-Projekte. Process Mining gehört für ihn zu den ersten Erkundungsschritten in einem neuen Projekt. Wie wichtig der Blick unter die Oberfläche von Prozess-Landschaften ist, hat er bei diversen ERP-Projekten erlebt: Nur wer die verschlungenen Gänge und weit verzweigte Tunnel in einem Unternehmen kennt, hat ein festes Fundament – für ein neues ERP-System, aber auch für eine ganz neue Prozess-Architektur. Zuerst gilt es hier, gemeinsam mit dem jeweiligen Unternehmen das Terrain zu sondieren – also die individuelle Lage zu analysieren. Bevor also zusammen ein geeigneter Claim abgesteckt wird, geht es in die Tiefe: Process Mining ist eine umfassende Prozessgeschäftsanalyse. Man begutachtet Prozesse und nimmt Datenproben, stellt fest, was - wie lange - wie häufig gemacht wird, bis es wo-welche Unterbrechungen - aus was für einem Grund gibt.

Wo liegen die Key Supply Chain Drivers?

Sales and Operations Planning (S&OP) nimmt dabei genau jene Schlüsselprozesse unter die Lupe, welche die Haupttreiber der Wertschöpfungskette sind, also Key Supply Chain Drivers. Deshalb ist es an dieser Stelle so wichtig, dass möglichst viele Abteilungen eingebunden sind, wie Vertrieb, Einkauf und Controlling. 

Potentiale für den Einstieg in die Automatisierung

Repetitive und manuelle Prozesse sind häufig besonders dafür geeignet, automatisieren zu werden. Gerade wenn es um Compliance geht und die Arbeitsschritte sehr fehleranfällig sind, muss der Frage nach Automatisierungspotentialen genau auf den Grund gegangen werden. In den Projekten von Christian Gerdes haben sich Themen wie die Zusammenarbeit mit Lieferanten oder Kunden sowie Qualitätsmanagement als gute Einstiegsluke in die Automatisierung erwiesen. Dabei ist es wichtig, die besten Köpfe aus verschiedenen Abteilungen zusammenzubringen. Wer nur auf abteilungsbezogene Workshops setzt, wird am Ende nur innerhalb eben dieser Abteilung automatisieren – die Potentiale liegen aber viel tiefer verbogen.

Automatisierungen bieten sich etwa bei Absatzplanung und Produktionsplanung an, wo unterschiedliche Abteilungen zusammenspielen: Die eine Abteilung möchte verkaufen, die andere kann nicht liefern. Auch bei Services wie Kundenanfragen, Anleitungen bei erklärungsbedürftigen Produkten, Reklamationen oder dem Eingangsrechnungsworkflow gibt es große Potentiale für Automatisierung.

ERP Tools für Automatisierung

Noch immer kommt es vor, dass zum Beispiel bei Onlinehändlern sämtliche Angaben manuell im ERP nachgetragen werden müssen – Ziel sollte hier aber sein, dass ein Auftrag im Webshop angelegt und dann automatisch ins ERP weitergeleitet wird, um direkt im Lager anzukommen und dort wiederum automatisiert (via Scanner etc.) bearbeitet zu werden. Im System ist bis zur Rechnungserstellung kein weiterer Knopfdruck nötig. Basis sind hier Schnittstellen, die Daten absolut nahtlos zwischen den Systemen wechseln lassen. Thomas Böing von Comarch sieht den Kurs des Unternehmens bei der Software-Entwicklung durch solche Fälle bestätigt: Moderne ERP-Systeme basieren auf einer Service Oriented Business Architecture (SOBA) und erlauben es als Prozessplattform, RPA- und IPA-Technologien einzusetzen.

Frank Siewert macht gerade an den Beispielen Service und E-Commerce deutlich, wie breit die Einsatzgebiete für RPA und IPA sind. An erster Stelle denken viele bei Automatisierung an Verbesserungen der Prozesse in der Produktion, da hier ein besonders hohes Potential gegeben ist, schneller, günstiger und individueller zu fertigen. Dabei sollten jedoch auf keinen Fall die Möglichkeiten übersehen werden, die sich in anderen Bereichen auftun. Mit Blick auf den Kunden lassen sich Vertriebsprozesse optimieren und automatisieren, z.B. durch ein besseres Verständnis und eine smarte Führung des Kunden durch die eigene Produktwelt. Die Auswertung von professionellen KI-Order-Sätzen bietet wiederum Mehrwerte für den Kunden, da sich deren Wünsche und Anforderungen tiefer verstehen lassen. Daraus resultiert wiederum eine bessere Kommunikation und Kundenbindung sowie die Möglichkeit, auch weiterführende Service- oder Wartungsleistungen und Kundenerlebnisse ins eigene Angebot aufzunehmen. 

Wer Standardvorgänge automatisiert, hat mehr Zeit, sich um andere Prozesse zu kümmern. Essentiell ist hier Data Mining, wenn es darum geht, Daten in prozessfähige Daten umzuwandeln. Mit Machine Learning lasen sich zum Beispiel Anfragen definieren und kategorisieren und so eine genaue Einordnung in die Kategorie Vertriebsanfrage vornehmen. Prozesse werden in diesem Sinne zunehmend eigenständig arbeiten, sich ohne Medienbrüche mit nahtlosen Schnittstellen selbst organisieren.

IDC-Studienleiter Matthias Zacher: Die wichtigsten IPA-Ergebnisse: Deutsche Unternehmen wollen mit IPA aktuelle Business-Anforderungen lösen

Matthias Zacher, Senior Consulting Manager und Projektleiter der Studie, erklärt die Ergebnisse: „Die Ziele der intelligenten Automatisierung gehen in hohem Maße Hand in Hand mit den Business-Prioritäten der Unternehmen. Hierzu zählen die Senkung der Betriebs- und Produktkosten (32 %), die Verbesserung der Leistung der Mitarbeiter sowie die Gewinnung und Entwicklung von Talenten (31 %), die Verbesserung der Nachhaltigkeit (30 %) sowie die Modernisierung von Prozessen (29 %). An den Ergebnissen können wir ganz deutlich den Wertbeitrag der Automatisierung ablesen, vor dem die Organisationen im aktuellen herausfordernden Jahr 2022 stehen.“

Prozesse sollten modernisiert werden – um von technologischem Fortschritt durch neue Analyse-Möglichkeiten zu profitieren

„Wir sehen aber auch, dass Prozessautomatisierung aktuell einen Wandel durchläuft. Während das Potenzial für RPA nach wie vor hoch bleibt, wird IPA zunehmend wichtiger. Die engere Verknüpfung von RPA, BPM und Integrationstools sowie der rasche technologische Fortschritt bei künstlicher Intelligenz einschließlich analytischer Ansätze erhöhen den Nutzen und die Wertschöpfung von Prozessautomatisierung für die Unternehmen signifikant. Damit ist der Weg für eine End-to-End Automatisierung auf Basis von IPA und von Ökosystemen vorgezeichnet. Viele Prozesse in den Kernapplikationen sind veraltet und müssen dringend modernisiert werden. Dazu ist eine genaue Analyse der Prozesse – also ein Process Mining – erforderlich. Trotz aller Unterschiede in den fachlichen Anforderungen sollten auch das Abbilden, die Automatisierung, das Management und die Orchestrierung der Prozesse auf Basis von Standards vorangetrieben werden.“

Matthias Zacher
Senior Consulting Manager
IDC

Studie RPA IPA

N = 201 Unternehmen, Abbildung gekürzt, Quelle: IDC Studie, Intelligente Prozessautomatisierung

Zur IPA-Studie

Studie IPA RPA

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