Die 7 größten Mythen über Künstliche Intelligenz
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Wo KI die Zukunft vorhersagen kann und wie Customer Experience davon profitiert
Was kann Künstliche Intelligenz und was nicht? Obwohl die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) heute schon sehr weit fortgeschritten ist, sind nach wie vor zahlreiche Mythen, Unsicherheiten und Verwirrungen in Umlauf. Schuld daran sind auch die teils widersprüchlichen Marketingbotschaften und der (soziale) Medien-Buzz zwischen Trend, Hype und erhobenem Zeigefinger, welche die Menschen verunsichern. Der Entwicklungsleiter des internationalen Konzerns Comarch wirft einen Blick hinter die Kulissen der KI.
Im letzten Jahrzehnt kamen Entwickler dem Ziel einer Künstlichen Intelligenz in großen Schritten näher. Einer von ihnen ist Maciej Tyczyński. Er leitet das Research & Development Team, wo Datenwissenschaftler, Machine Learning Ingenieure und Developer des Dienstleistungen-Sektors von Comarch KI-Technologien erforschen und entwickeln. Im Gespräch mit Alexandra Sliwinskis Podcast „Customer Experience & Technology“ klärt er die häufigsten Irrtümer zu Künstlicher Intelligenz und geht Mythen auf den Grund.
1. Funktioniert Künstliche Intelligenz auf Knopfdruck?
Wenn wir heute privat mit Künstlicher Intelligenz zu tun haben, ist das immer einfach: Alexa, wie wird das Wetter? Netflix, welche neue Serie wird mir ganz sicher gefallen? Amazon, was trage ich am besten zu der neuen Hose? Dass hinter solchen Mechanismen lange Entwicklungsarbeit steht, bleibt meist im Hintergrund verborgen. Wenn Unternehmen also über die Einführung von Künstlicher Intelligenz nachdenken, so starten Sie nicht in der Küche mit Alexa, sondern viel früher: Eine Künstliche Intelligenz muss angelernt werden. Zwar gibt es Best Practices, die sich in den letzten Jahren etabliert haben und auf welchen man aufbauen kann. Dennoch ist jedes Unternehmen anders und auch die verfügbaren Datenquellen unterscheiden sich beträchtlich.
2. Welche Ressourcen benötigt eine Künstliche Intelligenz?
Wichtigster Treibstoff für Künstlich Intelligenz sind Daten. Während die nötige Hard- und Software ganz einfach von IT-Dienstleistern implementiert werden kann und auch die nötige Serverleistung angesichts gut ausgerüsteter interner IT-Kapazitäten bei deutschen Unternehmen und zahlreicher externer Data-Center- und Cloud-Anbieter keine Herausforderung ist, gibt es bei den Daten einen kleinen aber entscheidenden Unterschied. Bei Daten sind Unternehmen ein großes Stück weit auf sich gestellt, es gibt keine Zuarbeit, die im Notfall extern bezogen werden kann. „There’s no Artificial Intelligence without data“, sagt Maciej Tyczyński. Diese Daten dienen dazu, die Künstliche Intelligenz anzulernen. Das reicht von klassischen Kundendaten über Transaktionsdaten bis hin zu Daten, welche Rückschlüsse über das historische Einkaufsverhalten ermöglichen. Hinzu kommen zuletzt verstärkt Datenquellen wie Spracherkennung, Chatbots, unstrukturierter Text aus Social Media, Emails oder PDF-Dateien. Je nach Zielsetzung sind auch Umfang und Art der benötigten Daten verschieden. Daher wird schon sehr früh in den Projekten geprüft, ob die nötigen Daten bereits vorhanden sind, welche das jeweils gewünschte KI-Projekt erfordert. Ein wichtiger Gradmesser ist generell der „AI Readiness Check“, so der Entwicklungsleiter. In diesem Schritt werden unter anderem die vorhandenen Datensätze strukturiert untersucht und bei fehlenden Werten auch Alternativen und konkrete Lösungsschritte gefunden. Allerdings hatten auch schon mehrere Kunden den Wunsch, dass ihre Loyalty-Programme und Online-Plattformen bereits vor dem Go-Live (und damit ohne historische Daten) von einer Künstlichen Intelligenz getestet und auf Fehler, Anomalien oder Betrugsmöglichkeiten hin analysiert werden. Dies ist dann mit dem Wissen aus einem allgemeinen Erfahrungsschatz möglich.
3. Ist Künstliche Intelligenz eine erprobte Technologie?
Als Konzept reicht KI bis in die 1950er Jahre zurück. Seit 2010 hat sich die Technologie dann immer schneller entwickelt, was in der heutigen breiten Verfügbarkeit gipfelte. Dennoch sind wir noch immer in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, dann es ist davon auszugehen, dass KI-Anwendung hinsichtlich Funktionalität, Kapazität und Verbreitung in hohem Tempo hinzugewinnen werden. Künstliche Intelligenz ist also eine lebende, sich rasant fortentwickelnde Technologie, die jedoch auf 70 Jahren Konzept- und Entwicklungsarbeit fußt und damit auch über die Prototypphase und ihre Kinderkrankeiten längst hinaus ist.
4. Was ist der Unterschied von Künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Deep Learning?
Künstliche Intelligenz ist ein übergreifender Begriff, der mehrere Unterbereiche umfasst. Einer davon ist Machine Learning, welcher dann eher die Appilcations-Ebene und damit eine konkrete Ausprägung von KI beschreibt. Deep Learning ist eine neuere, höher entwickelte Ausprägungsform von Machine Learning. Mit in das Thema Künstliche Intelligenz spielt auch der Begriff Big Data hinein, da Daten der treibende Rohstoff für KI sind.
5. Arbeitet Künstliche Intelligenz autonom?
Nachdem Künstliche Intelligenz mittlerweile einen großen Sprung zur breiten Verfügbarkeit geschafft hat, wollen immer mehr Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Technologie ziehen. Der entscheidende Unterschied zu bisher verbreiteten Technologien ist die Selbständigkeit. Warum dies aber nicht bedeutet, dass die KI autark und autonom agiert, zeigt der folgende Vergleich. Klassische Programmierung erfolgt mit if-then-Regeln. Wenn x passiert, wird die Reaktion Y von einem Programmierer vorgegeben. Bei KI hingegeben wird dieser Instruktionsteil komplett übersprungen. Statt einem programmierten Input gibt es jetzt einen Output, nämlich den Output historischer Daten, welche der Künstlichen Intelligenz eingespeist werden. Auf Basis dieser Daten erkennt das System, was in Zukunft getan werden soll. Dazu bedarf es allerdings auch eines menschlichen Inputs, da die Daten an sich nur Werte sind. Die Künstliche Intelligenz muss also darauf geschult werden, wie sie diese historischen Daten zu interpretieren hat. Danach kann sie im Unternehmen viele Prozesse ersetzen und Entscheidungen ergänzen, die bisher manuell ausgeführt und von Vermutungen oder oberflächlichen Analysen getrieben wurden. Manuelle Arbeiten sind fehleranfällig, zudem sind die für verlässliche Vorhersagen nötigen Expertenteams nicht immer verfügbar und kostenintensiv. In der Marketing-Planung für ein Loyalty-Management-Programm sind dies zum Beispiel die Fragen, warum KPIs nicht erfüllt wurden oder ab welcher Dauer der Inaktivität von Kunden entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden sollen und welches die angemessensten nächsten Schritte sind. Gerade in komplexer Unternehmensumgebung sind dies schwierige und zeitraubende Prozesse. Man denke nur an große Loyalty-Programme mit vielen Mitgliedern. Und genau an diesem Punkt tritt die Chance der KI klar zutage, schließlich
sammeln groß angelegte Loyalty-Proramme Daten von so unterschiedlichen Touchpoints wie physischen Kontakten, Onlinekanälen, E-Commerce und Social Media. Bei der Frage, welche Daten man nutzen sollte, um die besten Resultate zu erzielen, kann KI die Komplexität, die auch von der Vielschichtigkeit des Customer Behaviours herrührt, angemessen abbilden.
Sich hier auf Annahmen und Vermutungen zu verlassen mag seit Jahren funktioniert und wird auch weiterhin funktionieren, aber angesichts ganz neuer Kundenerwartungen und eines immer schneller sich verändernden Kundenverhaltens ist Künstliche Intelligenz ein Hilfsmittel, um Kundendaten zu verarbeiten und das Verhalten in verschiedenen Situationen zu ergründen und dann auch abzubilden. „Einsatzbeispiele für die Unterstützung durch KI mit automatischen Empfehlungen, Monitoring und schließlich dem Hinzulernen auf Basis der neu generierten Daten gibt es viele. Ganz konkret wird Künstliche Intelligenz im Bereich Kundenbindung zum Beispiel für die Umsetzung einer individuellen Customer Journey, die Steigerung des Customer Lifetime Value (CLV), Channel Optimization, Contact Time Automation, Budget-Optimierung, generelle und individuelle Empfehlungen oder Vorhersagen eingesetzt“ berichtet Alexandra Sliwinski, Consultant bei Comarch.
6. Predictive IT – Kann künstliche Intelligenz die Zukunft vorhersagen?
Künstliche Intelligenz kann zukünftige Entscheidungen zwar vorhersagen helfen, jedoch unter ganz bestimmten Bedingungen. Somit kann auch die Frage „Was kauft mein Kunde X als nächstes?“ von einer KI beantwortet werden – auf Basis historischer Daten sowohl individuell den Kunden als auch die Gesamtheit aller Kunden betreffend. Die Frage ist allerdings, wie präzise diese Vorhersage sein wird. Für eine bestimmte Kundengruppe werden die Vorhersagen akkurater sein als für die Gesamtbasis aller Kunden. Legt man nun den Fokus auf eine Gruppe besonders aktiver Kunden, so wurden in der Vergangenheit bereits sehr akkurate Vorhersagen erzielt. Für rund 10 bis 15% Prozent der Kunden (Top-Kunden) sind sehr akkurate Vorhersagen mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 90% möglich, so die bisherigen Erfahrungen. Für die breite Masse der 90 bis 85% an Kunden sind diese Vorhersagen dann entsprechend weniger akkurat zu treffen.
7. Wird Künstliche Intelligent Menschen, Mitarbeiter, Marketeers ersetzen?
Hinter jeder Künstlichen Intelligenz sitzt ein Mensch und entscheidet in irgendeiner Form, wie diese arbeiten soll. Der menschliche Faktor ist also nach wie vor sehr wichtig. KI unterstützt die Mitarbeiter hier vielmehr, indem sie von Prozessen entlastet werden, die gleichförmig und arbeitsaufwendig sind. Ersetzt wird also nicht der Marketeer an sich, sondern seine ihm lästigen Aufgaben. Denn die Frage „Wie nutzt man die Informationen“ eröffnet eine breite Auswahl an neuen Möglichkeiten, aber auch an neuen Fragen, die dann von Marketing-Teams entschieden werden müssen. Diese Fragen sind wichtiger, interessanter und viel stärker auf kreative Entscheidungen ausgerichtet als die durch KI wegfallenden Tätigkeiten. Künstliche Intelliegenz ersetzt auch keine kreativen Entscheidungen und Geschäftsstrategien, sondern hilft Menschen, diese Entscheidungen auf Basis fundierten Wissens zu treffen. Und auf Anweisung des Marketeers setzt die KI die Entscheidung schließlich auch in die Tat um.
Lust auf noch mehr Künstliche Intelligenz?
Wenn Sie tiefer in das Thema Künstliche Intelligenz einsteigen möchten, so steht Ihnen der Leiter der F&E-Abteilung vom Services-Sektor des internationalen IT-Konzerns Comarch auch in einem Podcast-Beitrag Rede und Antwort. Die Episode Artificial Intelligence mit Maciej Tyczyński und Alexandra Sliwinski aus dem Podcast „Customer Experience & Technology“ hören Sie hier: https://www.comarch.de/aktuelles/podcast/
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